Leinenzwang aufgrund gemeindlicher „Anordnung“, leider ein Dauerthema
Anlässlich einer vom Verfasser beim Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags eingereichten Petition gegen Regelungen der Gemeinde, auf dem Gebiet Hunde nur angeleint zuzulassen und Verstöße gegen diesen Leinenzwang mit einem Bußgeld zu belegen, hat das Bayerische Staatsministerium des Inneren in einem Schreiben vom 17.11.1999 an den Bayerischen Landtag folgendes ausgeführt: Zum einen können die Gemeinden, gestützt auf Artikel 18 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes, zur Verhütung von Gefahren das frei Umherlaufen von Hunden mit einer Schulterhöhe von über 50 cm und Kampfhunden auf öffentlichem Gebiet einschränken. Ausdrücklich hat das Ministerium darauf hingewiesen, dass der räumliche und zeitliche Geltungsbereich einer entsprechenden Verordnung auf die örtlichen Verhältnisse abzustimmen sei und dass – gem. der Nr. 18.2 der Vollzugsbekanntmachung zu Art. 18 LStVG – in ausreichendem Masse geeignete öffentliche Flächen vom Leinenzwang auszunehmen sind, um dem Bewegungsbedürfnis der Hunde Rechnung zu tragen.
Das Ministerium hält fest, dass gemeindliche Verordnungen, die das freie Umherlaufen von Hunden im gesamten Gemeindegebiet verbieten, unzulässig sind. Einen Leinenzwang kann die Gemeinde – so das Ministerium – auch auf Art. 24 der Gemeindeordnung stützen, wobei insoweit keine Verpflichtung für die Gemeinde besteht, ausschließlich sicherheitsrechtliche Belange zu berücksichtigen. Allerdings weist das Ministerium darauf hin, dass eine auf Art. 24 Gemeindeordnung gestützte Satzung keine generelle Anleinpflicht für das gesamte Gemeindegebiet festschreiben könne. Insoweit fehle es an einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage. Auf sogenannten gewidmeten öffentlichen Strassen, Wegen und Plätzen erstrecke sich die Regelungskompetenz nach Art. 24 Gemeindeordnung nicht. Im Bezug auf diese Flächen hätten die Gemeinden nur das Recht, sogenannte Sondernutzungen zu erlassen, nicht aber den Gemeingebrauch einzuschränken. Zu letzterem aber gehört auch nach Ansicht des Ministeriums das Mitführen von Hunden.
Was folgt nun rechtlich aus dieser Stellungnahme:
Allgemein lässt sich sagen, dass jedenfalls eine generelle Anleinpflicht für Hunde jeder Größe im gesamten Gebiet einer Gemeinde nicht durch Satzung oder Verordnung festgelegt werden kann. Wenn dagegen ausreichend (?) Freiflächen ausgewiesen sind und in der gemeindlichen Anordnung zwischen großen und kleinen Hunden unterschieden wird, ist der Leinenzwang wohl gültig. So, wie im konkreten Fall der Petition die Satzung der Gemeinde Aicha vorm Wald als nicht rechtskonform festgestellt und der Gemeinde eine entsprechende „Bitte“ um Berücksichtigung der gültigen Rechtslage aufgegeben wurde, lohnt es sich in jedem Fall, eine gemeindliche Leinenzwangsanordnung kritisch zu durchleuchten und bei Feststellung von Rechtsmängeln gegen ein erlassenes Bußgeld fristgemäß Einspruch einzulegen und gegen das verhängte Bußgeld gerichtlich vorzugehen. Möglich ist auch die Überprüfung einer gemeindlichen Anordnung im Wege des sogenannten Normenkontrollverfahrens.
Dem in der Petition geäußerten Gedanken, wonach eine generelle Anleinpflicht nicht gesetzeskonform ist und eine Anleinpflicht nur im Einzelfall angeordnet werden könne, hat das Ministerium nicht Rechnung getragen. Man wird auch davon ausgehen müssen, dass insbesondere Verordnungen der Gemeinde, die auf Art. 18 LStVG gestützt sind und die entsprechenden Voraussetzungen dieser Gesetzesnorm einhalten, nicht angreifbar sind. Leider ist in der Rechtsprechung die ausgeprägte Tendenz zu beobachten, dass auch ohne konkrete Gefährdung freilaufende Hunde als gefährlich eingestuft werden und demgemäss entsprechende Anordnungen mit Leinenzwang zum Schutze der Öffentlichkeit angemessen und geboten sind. Viele Gerichte sind bedauerlicherweise der Auffassung, dass ein Leinenzwang in öffentlichen Anlagen auch dann nicht gegen das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit gemäss Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz verstößt, wenn es außerhalb von öffentlichen Anlagen im Gebiet einer Gemeinde kaum ausreichende Freiflächen gibt.
Die entsprechende Argumentation läuft darauf hinaus, dass der Freiheit des einzelnen, einen Hund zu halten und diesen frei herumlaufen zu lassen, die Freiheit der übrigen Menschen, sich an öffentlichen Orten frei und ohne Belästigungen bewegen zu können, entgegenstehe. Diesem negativen Bild, das Hundehalter in der Öffentlichkeit haben, gilt es entgegenzutreten und zwar insbesondere dadurch, dass man den eigenen Hund gut erzieht und sich auf dessen Gehorsam auch verlassen kann. Das schlechte Image und damit auch die Tendenz der Rechtsprechung gründet sich nach Ansicht des Verfassers im wesentlichen auf den verantwortungslosen Umgang einiger weniger Hundehalter, die tatsächlich sich so wenig um ihren eigenen Hund kümmern, dass dieser zu einer Belästigung, wenn nicht auch gar zu einer Gefährdung dritter Personen wird.
Max Geigenberger / Rechtsanwalt